10 Jahre

Jetzt im Juni werden es 10 Jahre aktives und regelmäßiges Laufen bei mir.
Auch wenn es vorher immer mal wieder vergebliche Versuche gab, ernsthaft durchgezogen und brav protokolliert wird seit genau zehn Jahren.
Am 23.06.2010 bin ich abends in meine am Vortag erstandenen Mizuno Waverider geschlüpft und habe mich über die sagenhafte Distanz von 4km in einer sensationellen Zeit von 30 Minuten gequält.
Am nächsten Tag wollte ich wegen Muskelkater und Frust nie wieder laufen, am übernächsten ging es dann trotzig wieder auf die Strasse.
Den Rest kennt ihr. Zwei Jahre später kam der erste offizielle 10km-Lauf, 2012 der erste Halbmarathon, im Folgejahr der erste Marathon und schließlich sogar ein kleiner Ultramarathon in der schönen Eifel.
Begleitet wurde alles von einer sachten Umstellung der normalen Laufschuhe auf minimales Schuhwerk, heute laufe ich fast nur noch in Fivefingers.
Für 4km ziehe ich jedenfalls mittlerweile nicht mal mehr Schuhe an, das geht auch barfuß und völlig entspannt in etwa der Hälfte der Zeit.

Dass aus diesen ersten zaghaften Bemühungen mal so eine Leidenschaft wird, das hätte ich damals nie gedacht. Ich wollte einfach nur etwas mehr Ausdauer zurück, war ein wenig in Sorge um meine allgemeine Kondition. Dank viel körperlicher Arbeit war ich eigentlich immer sehr fit, der Berufwechsel an den Schreibtisch hat das fast zunichte gemacht, da musste eine Änderung im Leben her.

Heute kann ich hier ehrlich schreiben, dass mir die Lauferei nur Gutes gebracht hat.
Sowohl körperlich als auch mental. Klar, es gab Rückschläge, der blöde Ermüdungsbruch, Stürze, viel Schmerzen, Erschöpfung und sogar völlig ausser Kontrolle geratenes Übertraining.
Aber das alles verblasst gegenüber dem allgemeinen Wohlfühlen, der gewonnenen Stärke und Grundausdauer, der Ausgeglichenheit und auch dem Stolz und Selbstbewustsein so einiges als Spätstarter erreicht zu haben.
Nicht zu vergessen die vielen Kontakte und Bekanntschaften, ob über die Blogosphäre, das Fediverse oder auch bei den vielen Veranstaltungen und natürlich beim parkrun. Niemanden von euch hätte ich je kennengelernt und vor allem, von niemanden hätte ich jemals was gelernt. In der Laufszene wird wirklich nicht mit Tipps, Hinweisen und Ratschlägen gegeizt. Das hat mir bisher wahrscheinlich so einige Katastrophen erspart.
Obwohl ich immer noch ein notorischer Alleine-Läufer bin, hat mich das Laufen doch tatsächlich nachträglich etwas sozialisiert.

10 Jahre also, in denen doch recht viel passiert ist.
Dieses kleine Jubiläumsjahr wollte ich mit neuen Bestzeiten garnieren, mit neuen Herausforderungen auffüllen und überhaupt musste irgendwas Besonderes her, ein Meilenstein der mich wieder mal weiterbringt.
Dass es allerdings so „besonders“ werden würde, das konnte im Januar noch niemand ahnen.
Statt Wettkampfehrgeiz drehe ich einsame Runden. Statt nervös an irgendwelchen Startlinien herumzulungern, gehe ich einfach vor die Haustür und renne los.
Zu den üblichen „Pflicht“-Lieblingswettbewerben, hatte ich dieses Jahr noch so einige andere sehr reizvolle Veranstaltungen rausgesucht und mich teilweise bereits angemeldet.
Alles verpufft, alles abgesagt.
Also einfach nur Laufen um zu laufen, nicht um Wettkampfpräsenz zu zeigen.
So richtig planvolles Training mache ich ja eh nie, aber jetzt steht nicht mal mehr mein typischer Trainings-Hinweis wie zum Beispiel „langer Lauf“ oder „sehr langer Lauf“ in meinem Kalender.
Und das alles macht mir überhaupt nichts, hab ich ja auch schon ein paarmal beschrieben.
Im Gegenteil, mir wird grade mal wieder noch bewusster, dass es eben diese einsamen Runden sind, die mir so sehr gefallen. Eintauchen in den eigenen Rhythmus, spontane Entscheidungen über Richtungswechsel auf der Strecke, bummelig oder schnell, Wald, Stadt oder Rheinufer, ganz einfach jederzeit so laufen wie es mir gefällt.
Das ist eine ganz besondere Art von Freiheit, die ich sehr geniesse.
Für mich sein und rennen.

So wird mein Jubiläumsjahr also, trotz abgesagter Veranstaltungen und verpuffter möglicher Bestzeitenplatzierungen, dennoch zu einem Ereignis, dass ich wahrscheinlich nie vergessen werde.
So kanns kommen.

Selbstverständlich gibt es trotzdem etliche besondere Ereignisse in diesem verrückten ersten Halbjahr, aber die haben nichts mit Laufen zu tun.
Einige von euch haben allerdings bei einem in diversen Kommentaren aufgetauchten Thema mehrfach nachgefragt, also sehr gerne ein paar Sätze zu Otto.

Kommentare

  1. Lieber Oliver,

    ich dachte Du läufst schon viel länger, aber umso mehr darfst Du stolz sein, auf das Erreichte und meines Erachtens vor allem auf die entspannte und gelassene Haltung. Viele wollen immer mehr und verpflichten sich dem Trainingsplan, was meist viel Stress verursacht, wenn man noch ein Leben neben dem Laufen hat.
    Also lass Dir gratulieren zum Jubiläum und bleib gesund. Ich freu mich, dich hier virtuell kennen gelernt zu haben.

    Salut

    1. Lieber Christian,
      das ist die kleine Überlegenheit eines Spätstarters, mir kommt es nicht in den Sinn mich mit wirklich gut trainierten jungen Hirschen zu messen, sondern habe zum Glück schnell gelernt mich in meinem Rahmen auszutoben. Und so oft ich anfangs ausgefuchste Trainingspläne geschnitzt hatte, der Spaß am Laufen geht vor, mit Trainingsplan hab ich keinen Spaß daran, also weg damit.
      Du warst übrigens der zündende Funke es doch mal mit Fivefingers zu versuchen, vielen Dank und ich freue mich ebenfalls!

  2. Lieber Oliver, wahrlich eine Ode ans Laufen, die mir naturgemäß ganz besonders gut gefällt. Dein erster 3 km Lauf erinnert mich an meinen, bei mir waren es 4, aber genau die gleiche Haltung wie bei dir: anstrengend, das mache ich nicht mehr ……und dann…. wer hätte das je gedacht !

    Glückwunsch zu den ersten 10 Jahren, mal sehen, wie viele noch folgen werden, aber was ein echter Läufer ist, der hört nie damit auf, never – ever !!

    Und irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem dir selbst und anderen wieder beweisen kannst, dass sich das Laufen über 10 Jahre durchaus auch auf deine Schnelligkeit und Ausdauer positiv – sehr positiv – ausgewirkt hat, was du längst bewiesen hast.

    “ Das Laufen hat mir nur Gutes gebracht “ – wo darf ich unterschreiben ?

    Glückwunsch zu diesem Jubiläum !

    1. Liebe Margitta,
      beim Schreiben hatte ich noch überlegt, sind „erst“ oder „schon“ zehn Jahre? Ist aber letztlich egal, ich bin dran geblieben, daran bist auch Du ein wenig „schuld“. Egal wie anstrengend es manchmal ist, die Belohnung folgt immer zuverlässig. Egal wie hoch der Anspruch und Ehrgeiz ist, der Spaß geht immer vor. So hab ich mir zwar schon einige mögliche Bestzeiten im Wettkampf versaut, aber immer mit einem Lächeln. Dann eben nächstes mal … 😉
      Vielen Dank!

  3. Lieber Oliver,
    ich hätte gedacht, dass Du schon viel länger läufst. Dann hast Du ja eine richtig tolle Entwicklung hingelegt und sozusagen einen wichtigen Inhalt Deines Lebens gefunden. Schön, dass Dich diverse negative Erfahrunngen nicht davon abbringen konnten und Du Dir die Freude am Laufen erhalten hast.
    Ich wünsche Dir auch weiterhin Spaß und Genuss, auf die nächsten 10 Jahre!
    Liebe Grüße
    Elke

    1. Liebe Elke,
      schön auf den Punkt gebracht, Laufen ist wirklich ein wichtiger Inhalt meines Lebens geworden, trotz Spätstart und einiger Rückschlägen.
      Vielen Dank, Spaß und Genuss gehen vor und es werden sicher mehr als nur 10 Jahre 🙂

  4. Lieber Oliver,
    herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!
    Was für eine schöne Zusammenfassung deiner Erlebnisse und vor allem interessant zu lesen, welche Veränderungen sich beim und durch das Laufen bei dir ergeben haben.
    Besonders schön und gut nachvollziehbar ist die Beschreibung der besonderen Situation heuer durch die Absagen sämtlicher Bewerbe, durch die scheinbar die Essenz des Laufens wieder stark in den Vordergrund rücken konnte!
    Weiterhin viel Spaß und Genuss beim Laufen!!

    1. Danke liebe Doris,
      nochmal drüber nachgedacht hat sich wirklich viel verändert, manches durch lernen und vieles durch experimentieren, aber auch durch gute Ratschläge.
      So hab ich mir immer die Freude am Laufen erhalten können, was mir dieses Jahr zugute kommt 🙂

  5. Herzlichen Glückwunsch zu 10 erfolgreichen Laufjahren, lieber Oliver.

    Viele Deiner Schilderungen kommen mir gekannt vor, von den Anfängen bis heute. Auch was die Sozialisierung angeht 😉

    Dir gebührt übrigens mit die Ehre, dass ich mit der Minimal- und Barfußlauferei angefangen bin. Meinen herzlichen Dank dafür 🙂

    Ich wünsche Dir, dass Du über die nächsten Jahren immer weiter laufen kannst, ganz nach eigenem Gusto, aber sicher auch mal wieder an irgendwelchen Startlinien stehend. Auf das nächste Jahrzehnt!

    Liebe Grüße
    Volker

    1. Vielen Dank lieber Volker,
      ich erinnere mich daran dass Du da irgendwann neugierig aufs Minimallaufen geworden bist, damit angefangen hast und mittlerweile viel konsequenter (bzw minimaler) als ich bist. Dass ich daran „schuld“ bin, das war mir nicht so bewusst, das freut mich natürlich 🙂
      Irgendwann laufe ich sicher wieder einen Wettbewerb, aber bis dahin drehe ich einfach meine Runden und geniesse die Einsamkeit.

  6. Lieber Oliver,
    ein tolles Jubiläum !
    Und eine schöne Geschichte, wie Laufen das Leben und den Mensch verändert. Ich lese das und denke: genau, so war das auch bei mir 🙂
    Wir sind einfach nicht dafür geschaffen, pausenlos am Schreibtisch zu sitzen. Bewegung ist uns angeboren, und das draußen Sein ist einfach ein Muss. Ich denke, wir nehmen unsere Umwelt inzwischen ganz anders wahr, weil wir sie „bewusst“ erleben. Und das Laufen (und andere Arten der Bewegung) gesund sind und wichtig auch für unseren Kopf, ist ja inzwischen bekannt.
    Aber wenn man es selbst am eigenen Leib erfährt, dann bekommt es nochmal eine andere Wertigkeit.
    Cool auch, wie du mit den geänderten Verhältnissen in diesem Jahr umgehst. Spontan eben andere Ziele setzen. Laufen um des Laufens Willen.
    Daumen hoch!
    Und dann auf die nächsten 10 Jahre Lauferlebnisse. Ich freue mich darauf, davon zu lesen 🙂
    Liebe Grüße
    Helge

    1. Liebe Helge,
      genau, sag ich ja immer: geht raus und bewegt euch! Mehr ist es doch gar nicht. Ob laufen oder Rad fahren oder wandern, hauptsache raus. Wer das so macht, der lebt ganz sicher bewusster, kann ich bestätigen 🙂
      Danke, ich gedenke sgar weit mehr als nur die nächsten 10 Jahre zu erlaufen 😉

  7. Mensch Oliver, da gratuliere ich aber.

    Mir kommen meine 6 Jahre auch schon wie 10 Jahre vor. Rein vom Erlebten her. Wenn mir 2013 einer gesagt hätte, was ich in den nächsten Jahren zu leisten im Stande bin – für bekloppt hätte ich den gehalten.

    Bei den Wettkämpfen ergeht es mir ähnlich wie dir. Zunächst enttäuscht, nun aber maximal relaxed, mit dem Sinn für andere Prioritäten und einer gewissen inneren Ruhe, die manch andere „Projekte“ ermöglicht (ich sag nur „Lauch“).

    Gesunde weitere 10 Jahre (und mehr)!

    1. Vielen Dank Martin!
      ist schon verrückt zu was man sich so Stück für Stück hinreissen läßt, aber umso schöner das alles in der Tasche zu haben. Und die Hemmungen fallen für zukünftige Projekte, wer weiß was noch so kommt?! Abseits vom hoffentlich erfolgreichen Projekt „Lauch“ natürlich 😉

  8. Lieber Oliver,

    zum Glück hast du dir deinen Bewegungsdrang nicht totgesessen, wie viele andere es leider tun. Deiner war noch „wiederzuerwecken“! – Jetzt hast du tolle 10 Jahre hinter dir … und bist sogar zu den schnellen Hirschen gewechselt! Da macht vieles richtig Spaß es so von dir zu lesen!

    Wäre nicht diese doofe C-Zeit, könnte mein freches Alter-Ego fragen: wann und wo die Jubiläumsfeier steigt. – Frage ich lieber vorsichtiger: sollte es mich mal in eure Ecke verschlagen, würdest du dem alten Kerle mal eine schöne Laufstrecke zeigen? … auch als Alleinläufer?

    Genieße dein Jubiläumsjahr alleine oder mit Otto, odee wie es gerade passt! 😉

    LG Manfred

    1. Lieber Manfred, ist zum Glück sogar so gewesen dass sich der Bewegungsdrang rechtzeitig durchgesetzt hat, sonst wäre es wahrscheinlich in schnöder Faulheit ausgegangen. Die schnellen Hirsche laufen immer vor mir, aber wie du weißt bin ich schon sehr zufrieden mit dem was ich mittlerweile erreicht hab.
      Die Jubi-Feier findet (na logisch) auf dem Asphalt statt, in Form eines lockeren Barfußlaufs 🙂
      Falls Du mal hier in der Nähe bist, werde ich Dich auf jeden Fall mit auf die Strecke nehmen! Ehrensache!

  9. Alles Gute zum Zehnjährigen – und insbesondere einen Satz unterschreibe ich hundertprozentig:

    „Heute kann ich hier ehrlich schreiben, dass mir die Lauferei nur Gutes gebracht hat.“

    Viel Spaß beim Laufen und auf die nächsten zehn Jahre!

  10. Hi Oliver,

    ich sage dir zuerst mal, dass du wirklich toll schreibst, so liest sich dieser kleine Text hier einmal mehr großartig, das mal nebenbei. Ich glaube, dass wir sehr ähnlich ticken, was das Laufen angeht und erkenne viele Parallelen in deiner Entwicklung und meiner. Hier und da gibt es vielleicht Weggabelungen, aber die Richtung stimmt überein, denke ich. So richtig in den Wettkampfmodus bin ich auch erst seit etwa 2015 oder so gekommen, laufe aber schon viel, viel länger. Und nun bin ich, auch verursacht durch die Krise jetzt, wieder auf dem Weg „Back to the Roots“, indem ich den eigentlichen Reiz des Laufens wieder neu entdecke, der abseits des Wettkampfs schlummert. Auch ich bin zu 99 Prozent solo unterwegs und genieße diese temporäre Einsamkeit des Tages. Die immer lautere, schrillere Laufszene, die sich mehr durch teure Ausrüstung auszeichnet als durch irgendetwas anderes, schrecken mich immer mehr ab und ziehen mich ohnehin immer mehr weg von Straßen hin zum Traillauf. Aber wenn ich Lust habe, dann lasse ich es auch bei einem Straßenlauf richtig krachen und gebe Vollgas. Ich bin, weißt du glaube ich, auch oft barfuß unterwegs, allerdings in Huaraches. Ich überlege mir aber grade, mal etwas Hightech zuzulegen, weil ich beim schnellen Laufen in den Dingen durch Reibung verursacht Blasen bekomme, die es in sich haben.

    Liebe Grüße aus B.
    Martin

    1. Hi Martin und vielen Dank, das freut mich natürlich 🙂
      Stimmt schon, da gibt es so einige Parallelen. Wahrscheinlich eine natürliche Entwicklung wenn man ohne Leistungsdruck läuft und das Laufen als Entspannung und eine Art Rückzugsgebiet betrachtet. Für mich ist es auch ein großer Ausgleich zum Job, ein Durchatmen und zur Ruhe kommen.
      Ich finde das ja immer wieder toll wenn Läufer mit Huaraches gut zurecht kommen, hab ja auch ein paar, aber nur für den Alltag (oder als „Backup“ bei Barfußläufen). Meine Strecken und mein Reisetempo damit laufen funktioniert einfach nicht, ich fühle mich unwohl damit. So bin ich auf die Fivefingers gekommen, die für mich der sehr akzeptable Kompromiss zum echten Barfußlaufen sind. Auf jeden Fall kann man damit wirklich schnell rennen, alle meine Bestezeiten hab ich in Fivefingers gemacht.
      Bin gespannt was du mit Hightech meinst 🙂

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