Wieso laufen?

In erster Linie: Weil es Spaß macht, den Kopf befreit, die Kondition erhält, ein wunderbarer Ausgleich zum Arbeitsleben ist.
Weil der Mensch ein Läufer ist, weil wir tief im Inneren den Drang zum Laufen haben.

Ich laufe nicht weil ich abnehmen möchte/muss (an mir ist eh nicht viel dran) und auch nicht weil ich Rekorde brechen möchte. Die Motivation kommt aus dem inneren Bewegungsdrang. Wer, wie ich, auf dem Land groß geworden ist und unendlich viel Platz zum Austoben hatte, als Teenager und junger Mann viel und hart gearbeitet hat und sich dann irgendwann in einem Schreibtisch Job wiederfindet (der mir grossen Spaß macht, aber nicht viel Bewegung bringt), dem drängt sich zwangsläufig ein gewisser Bewegungsdrang ins Leben. Ich konnte mir früher überhaupt nicht vorstellen wieso Menschen freiwillig in der Pampa rumrennen oder sich über den Asphalt quälen, heute weiß ich’s. Sehr genau sogar.

Meine ersten Laufversuche (so um 2001) sind nach ca einem Jahr gescheitert, die Knie schmerzten wegen schlechter Schuhe (das wusste ich damals noch nicht), ich hatte keine Ahnung von einer wenigstens minimalen Planung, geschweige denn von ausgeglichener Ernährung. Weiter als 5km bin ich nie gekommen, mit mieser Zeit und schlechter Laune. Darauf folgte starker Frust, zum Glück hatte ich zu der Zeit kein Auto und musste so sehr viel Rad fahren, ein guter Ausgleich.

Und dann kam irgendwann der Tag an dem ich eine Treppe hochrennen wollte, in die fünfte Etage. Bin zwar oben angekommen, war aber fix und fertig. Da hat sich irgendein Schalter im Hirn umgelegt, der sagte: So geht das nicht!

Einen Tag später stand ich in einem bekannten Laufladen und hab mich beraten lassen. Und diese Beratung war (aus damaliger Sicht) ziemlich gut. Statt irgendwelcher Billig-Treter aus dem Kaufhaus, wurden mir nach ausgiebigen Ausprobieren und Vergleichen ein paar Mizuno Wave Rider empfohlen. Und auch gleich die notwendigen Klamotten, nix „marky“ sondern zweckmäßig, dazu noch gute Empfehlungen und Ratschläge. Und abends am 23.06.2010 gings dann auch gleich los: mein erster Lauf ging sagenhafte 4 Kilometer, ich hab 30 Minuten gebraucht (das ist ne 7:30er Pace) und war danach völlig im Arsch. Am nächsten Tag dachte ich meine Waden sind zu Stein geworden und ich hab mir geschworen nie wieder zu laufen, am übernächsten Tag war ich allerdings stur und hartnäckig wieder auf der Strasse und hab die gleiche Strecke nochmal gelaufen. Seitdem ziehe ich durch, wenn es irgend geht mindestens jeden zweiten Tag, gerne öfter. Erst wurde langsam aber stetig die Distanz verbessert, nach 5 Wochen bin ich saustolz das erste mal 10km gelaufen, danach wurde an Technik und Schnelligkeit gearbeitet.

Seit meinem „Wiedereinstieg“ protokolliere ich jeden Lauf. Anfangs noch mit einer günstigen Polar-Pulsuhr, zuhause dann auf einer Karte nachmessen und eintragen in Exceltabelle. Später mit Smartphone Apps (sehr nervig ständig das Handy mitzuschleppen), im Mai 2013 gönnte ich mir eine Garmin GPS Pulsuhr und die Sportsoftware rubiTrack, nach Ausflügen zu Suunto und enttäuschender Rückkehr zu Garmin laufe ich seit Mitte 2020 mit den großartigen Coros Uhren Pace2 und ApexPro.

Mit so einer modernen Sportuhr, da lernt man viel über sich selbst, vor allem wie der innere Schweinehund ausgetrickst werden kann. Und es ist schön zu sehen wie die Liste der Trainingseinheiten länger wird, längere Unterbrechungen sind dagegen „hässlich“. Das heisst allerdings nicht dass ich mich an die Uhr „versklavt“ habe. Überwiegend schnall ich das Teil um, laufe ohne draufzuschauen und schaue erst zuhause beim Übertragen wie der Lauf so war. Ich kenne meinen Körper, meine Kondition mittlerweile gut genug, bemerke instinktiv wenn der Puls zu hoch geht und kann auch die Geschwindigkeit ganz gut abschätzen.

So richtig spannend wurde es, als ich mich entschlossen hatte mal bei einem offiziellen 10km Volkslauf mitzumachen, dem schönen Jüchtlauf 2012 in Düsseldorfs Süden. Hinterher war ich zwar völlig ko (hab mit meinen Kräften schlecht gehaushaltet) aber sehr glücklich.
Danach folgte immer mal wieder irgendein 10km Volkslauf, einige Halbmarathons, im April 2015 endlich mein erster Marathon und der Einstieg in noch weitere Distanzen mit dem 56km-Monschau-Ultra 2017.
Diese offiziellen Veranstaltungen machen Spaß und ich möchte auch in meinem Rahmen gut sein, aber ich weiß auch sehr genau wo ich stehe und übertreibe nichts.

Mittlerweile laufe ich mit einer grossen Selbstsicherheit, lote aber trotzdem stetig immer weiter meine Grenzen aus. Die Strecken werden länger, dabei hilft die Erkenntnis dass wir zum Laufen geboren sind, der Mensch ist eine „Laufmaschine“, wunderbar ausgestattet für lange und ausdauernde Läufe.

Verschiedene Schuhe wurden ausprobiert, das Thema „natural running“ bzw Minimalschuh hatte mich gepackt (und überzeugt), meine Barfuss-Einheiten wurden immer länger.
Der Laufstil veränderte sich dadurch grundlegend und ich hab echt viel über mich gelernt. Zum Beispiel, der „richtige“ Schuh macht mich sicher nicht zu einem besseren Läufer, sondern aussschließlich ein sauberer und verinnerlichter Laufstil.
Mittlerweile bin ich überwiegend mit Lauf-Sandalen unterwegs und geniesse die Freiheit und Leichtigkeit des natürlichen Laufens. Eine Rückkehr zu gedämpften, einengenden, stabilisierten „Klötzen“ kann ich mir nicht mehr vorstellen.

Ich setze mir immer wieder Ziele zum Anspornen, aber übertreibe nichts.
Alleine etliche Kilometer zu laufen entspannt mich, das ist fast wie eine Art Meditation, der Kopf wird befreit und oft finde ich überraschend einfache Antworten auf bis dahin nervige Dinge.
Regelmäßiges Laufen erzeugt bei mir keinen Druck („du musst heute noch raus!“) sondern im Gegenteil, ich freue mich darauf, bin ungeduldig, möchte die Laufschuhe/-sandalen anziehen und lostraben. Bei Wind und Wetter, egal.
Motiviert bin ich mehr denn je.
Es macht einfach Spaß.

10 Jahre laufen