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Ihr seid Borg

Gestern ging es bei wunderbarem Wetter mal wieder schön am Rhein lang, die bewährte Halbmarathondistanz, kaum Höhenmeter, entspanntes Laufen trotz vieler Oster-Spaziergänger. Natürlich waren auch viele Läufer unterwegs, die Routinierten überwogen, aber die Sonne überzeugte scheinbar auch viele Damen und Herren, ihre Neujahresvorsätze endlich mal so langsam aber sicher umzusetzen. Und natürlich die "Oh!-Sonne!-ich-geh-raus-und-zeige-meine-funky-Laufklamotten"-Typen. Da möchte ich mich nicht weiter drüber auslassen, die gibts hier in Düsseldorf reichlich, ist nunmal so. Sei’s drum.
Was sich mir immer mehr entzieht sind die "Borgs", also Läufer mit Unmengen Technik am Körper. Smartphone, ok, das nehmen viele mit weil da eben auch die Sport-App drauf mitläuft.
Aber dann gehts los … Smartphone + Pulsuhr + Bluetooth-Headset + GoPro (inkl. Selfie Stick natürlich), alles was es grade an Hightech gibt, wird mitgenommen, offenbar geht der Trend sogar zum Zweit-Smartphone … Hallo?! Was ist mit euch los?!? Ihr lauft wegen … was?
Und dann auch noch während des "Laufens" telefonieren und Fotos machen … Wirklich, ehrlich, ingesamt drei(!) solcher Typen sind mir begegnet, bzw ich hab die jeweils langsam überholt und konnte es gar nicht glauben was ich da grade erlebe. Voll beschäftigt mit der Technik, keine Zeit und keinen Sinn frei für den schönen Tag bzw. für einen kurzen Gruß. Ganz ehrlich, ich verstehe vieles, natürlich auch daß jeder andere Möglichkeiten zur Selbstmotivation nutzt. Das ist völlig ok und gut so. Und auch dass man einen jeweils anderen Anspruch an seine Lauferei hat, zum Glück ist das so. Jeder ist so ein klein wenig der Nerd, oder Geek, oder Spinner. Mit Musik oder ohne laufen, Fotos von unterwegs sind auch toll. Und hinterher möchten wir wissen was wir geleistet hab, die GPS-Uhr (oder was auch immer) kommt also mit.
Aber irgendwo ist’s dann doch mal gut, oder? Dieses ewige "immer vernetzt sein" der "Selfie-Generation" geht mir persönlich etwas auf die Nerven. Lauf-Apps feuern einen beim Laufen an, hab ich irgendwo gelesen. Die Strecke wird live zu irgendwelchen Online Diensten hochgeladen, Lauf-Kollegen wissen immer genau wo der andere grade rennt, alle drei Minuten werden Fotos hochgeladen, "schon wieder 50 Kalorien verbraucht!" fliegt zu Twitter … Und nach dem Lauf gehts dann auf die vernetzte Waage und das Smartphone berechnet den Kalorienbedarf. Vom mangelnden Datenschutz mal abgesehen (wisst ihr eigentlich was ihr da tut??): Gehts hier noch ums Laufen? Hab ich was verpasst? Oder bin ich vielleicht einfach nur zu intolerant?
Aber es gab gestern auch eine sehr nette Erfahrung: ein sichtlich gut gelaunter und schneller Läufer kam mir etwa bei Kilometer 6 entgegen, grüßte sehr freundlich und war auch schnell wieder weg. Auf dem Rückweg (andere Rheinseite) sind wir uns dann wieder begegnet, zum Erstaunen beider 🙂 Ein freundliches "wieviel machste?" "22!" "klasse, ich auch! Hau rein!" wurde motivierend hin und her geschmettert, und richtig gut gelaunt gings weiter. Schön dass es sowas auch gibt, gerne mehr davon. Der Kerl hatte übrigens keine (sichtbare) Technik dabei.

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Kommentar

  1. Ach ja, reich mir die Hand, Oliver, ich sehe das genauso wie du, zwar trage ich mein Smartphone immer bei mir, weil ich sehr gerne die ständig wechselnden Impressionen an der See festhalten möchte und auch um im Notfall telefonieren zu können.

    Das ist in meinen Augen vertretbar, schafft mir auch in gewissem Maße Sicherheit als Frau !

    Das Anfeuern via Apps, dass die ganze Welt weiß, wo du dich gerade aufhälst, wie viele km du in welcher Zeit, wo gelaufen bist, nervt, es gibt Läufer, die veröffentlichen jeden Pups im Netz, sogar, wohin sie wann in Urlaub fahren und wundern sich, wenn das Haus in dieser Zeit ausgeräumt wird.

    Wir haben hier Mutter-Kind-Erholungsheime, dort erlebst du Mütter, die sich nicht mehr um ihre Kinder kümmern können, weil sie ständig den Kopf nach unten halten müssen, um ihr Smartphone zu bedienen.

    Freundliche Läufer ohne gibt es zum Glück auch !

    In Düsseldorf entlang des Rheins ist bestimmt in dieser Hinsicht ordentlich was los, so wie ich es schon öfter in HH am der Außenalster erlebt habe !! 😉

    Hier hält sich zum Glück in Sachen Läufer alles in Grenzen – außerhalb der Saison gibt es wenige, in der Saison von jeder Sorte vertreten !!

    In diesem Sinne !

  2. Wie gesagt, ich finde vieles völlig in Ordnung und sinnvoll. Aber der/die eine oder andere sollte sich mal fragen worum es geht: Sport treiben oder Technik spazieren führen. Ich weiß, der Höhepunkt ist noch nicht erreicht, aber hoffentlich ebbt dieser Technikwahn trotzdem irgendwann wieder etwas ab, ich finds echt schade dass sich immer mehr Menschen so sehr fremdsteuern lassen, statt das was sie eigentlich grade tun zu geniessen (egal ob beim Sport, oder mit Freunden zusammen sein, oder was du beschreibst, im Erholungsheim … das ist echt schlimm).
    Ebenso in diesem Sinn, wir (und viele mehr) machen es anders 🙂

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  • 23 KW 2015 7. April 2015

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