Otto

Ende März 2020, als es grade so los ging mit Corona-Lockdown und Homeoffice und allem pipapo, haben wir uns relativ spontan entschieden Zwischenpflegestelle für gerettete Hunde zu werden. Es war ja absehbar, dass wir eh zuhause sind, also wieso nicht die Zeit nutzen und irgendwas Gutes tun.
Ich wollte eigentlich nie einen eigenen Hund in der Stadtwohnung, aber wir beide lieben Tiere sehr (so ist das eben wenn man auf dem Land aufwächst) und diese Idee erschien mir zumindest ein guter Test ob und wie das klappt mit so einem neuen vierbeinigen Mitbewohner.
Wäre ja auch nur auf Zeit. Fast alle Pflegestellenhunde werden immerhin innerhalb von 2-4 Wochen zu einem neuen und endgültigen Besitzer weitervermittelt. Wir hatten uns sogar 2-3 Monate gegeben, wegen Corona war das ja abzusehen.
Also Entscheidung getroffen und dann ging alles auch schon ganz fix. Der Pflegestellenvertrag wurde unterschrieben, alles gut erklärt bekommen, und innerhalb von nur wenigen Tagen hieß es: dieser fünfjährige schwarze stürmische Straßenhund aus Rumänien muss dort wo er jetzt ist weg und braucht dringend eine Pflegestelle.

Und so zog Otto bei uns ein.
Der laut Papieren zwar nicht Otto heißt, aber überhaupt nicht auf seinen registrierten Namen reagierte. Auf Otto dagegen hat er sofort gehört, so einfach kann man also zu einem Namen kommen. Und ehrlich gesagt passt der Name super zu ihm.
Ein Labradormix, also schon etwas größer. Stark und eigenwillig. Er hat ziemlich gestunken und war ständig sehr hektisch, immer in Bewegung. Hat kaum Ruhe gefunden, auch Nachts nicht. Und wenn mal Ruhe einkehrte, wurden wir fast ohnmächtig gefurzt.

Die ersten Tage und Nächte waren wirklich schräg, wir musste ihn kennenlernen, er uns, ständig gab es Überraschungen, lustige und weniger lustige, aber alles in allem zeigte sich sehr schnell, der Typ ist einfach toll! Sehr freundlich und zugänglich, sehr lernwillig, früher irgendwann musste er sogar mal eine passable Erziehung genossen haben, manches hat von Anfang an geklappt.
Für mich stand dann auch eigentlich bereits nach einem Tag fest: den geb ich nicht mehr her, komme was wolle.
Nach einigen Tagen mussten wir dann mal darüber reden, wie wir das fänden falls Otto schnell vermittelt werden würde und dann plötzlich weg wäre. Das war ein recht kurzes Gespräch, er hatte meine Frau ebenfalls längst um seine großen Pfoten gewickelt.
Otto musste bleiben, gar keine Frage.
Alles was nötig war wurde superschnell erledigt, Tierarzt, Vertrag, Versicherung, Steuern, Sachkundenachweis (wegen großer Hund und so). Und so waren wir bereits mit unserem ersten Pflegehund völlige „Pflegestellenversager“, aber sehr sehr glücklich mit unserer Entscheidung.

Nach erfolgreicher Futterumstellung hatte sich die Furzerei zum Glück bald erledigt, der strenge Geruch war nicht sein eigener, sondern kam offenbar von den vorherigen Aufenthaltsorten und wurde erfolgreich weggebürstet und -gewaschen.
Seine kleinen Macken sind wirklich klein und werden immer kleiner. Manchmal zum Beispiel schaltet er in sehr lärmiger Umgebung einfach auf „Straßen-Überlebensmodus“ und vergisst völlig wo er grade ist. Anfangs dachten wir noch über Hundeschulebesuch nach um das in den Griff zu bekommen, aber Ruhe, Liebe und Gelassenheit sind immer wieder der Schlüssel.
Angeblich sind Labradore extrem verfressen und mit Futter gut zu erziehen, Otto ignoriert dagegen ganz oft „Leckerchen“ als Belohnung, grade wenn es stressig wird. Liebevolle Ansprache und Nähe dagegen funktionieren immer prächtig. Er will einfach nur bei seinem Rudel sein, dann ist alles gut.

Mittlerweile ist klar, der musste zu uns. Er passt wunderbar zu uns, es ist Ruhe eingekehrt, wir freuen uns jeden Tag dass dieser stürmische und liebenswerte Typ hier ist. Er hält uns auf Trab, wir ihn, er macht unheimlich viel Blödsinn mit, hat Humor (ehrlich!) und ist einfach erstaunlich umgänglich und sozial.
Der Tagsablauf hat sich natürlich geändert, lange Spaziergänge sind normal geworden, besonders die (sehr frühe) morgendliche Runde versorgt mich mit guter Laune für den beginnenden Arbeitstag.

Ihr fragt euch natürlich: was hat Otto mit Laufen zu tun, läuft er mit auf meinen Runden? Nein, vorerst nicht. Klar wir rennen schonmal 1-2km gemeinsam herum, aber meine üblichen Distanzen empfinde ich derzeit als zuviel. Er muss ausserdem noch etwas mehr lernen sich nicht ablenken zu lassen. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen dass wir in Zukunft meine kürzeren Barfußrunden gemeinsam rennen, mal schauen ob das was wird.
Was sehr wohl einen läuferischen Effekt hat: die ausgiebigen Spaziergänge sorgen merklich dafür dass meine üblicherweise schnellen Läufe endlich mal eine Art Ausgleich bekommen.

Da haben wir es wieder … Leute geht raus! Ob Laufen oder Wandern oder Radfahren, Hauptsache Bewegung, wir brauchen das.

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Kommentar

12 Kommentare

  1. Lieber Oliver,

    ich gratuliere euch zu dieser wirklich tollen Entscheidung, ihr habt nicht nur dem Hund geholfen, sondern auch euch selbst einen großen Dienst getan, wie man ja lesen kann. Ich spreche aus Erfahrung 😉
    Ist wirklich ein hübsches Kerlchen und mit der Zeit wird er sicher ein treuer Laufbegleiter

    Salut

    • Vielen Dank lieber Christian,
      ich freue mich jeden Tag darüber wie gut dieser tolle Hund zu uns passt, man könnte fast meinen dass alles musste genau so kommen.
      Es ist auch erstaunlich wie sehr man seine eigenen Ansprüche für das Wohl eines Hundes zurückschraubt, manches ist plötzlich ganz einfach, aber das wirst Du auch gut kennen 🙂
      An der Laufbegleitung müssen wir noch arbeiten, aber so schnell und gut wie er lernt ist das wahrscheinlich auch bald möglich.

  2. Lieber Oliver, wie schön, wir hatten ja schon, ich finde Hunde auch ganz toll, mal ganz abgesehen davon, dass ihr ihm ein neues, schönes Leben verschafft habt !

    Macht sicherlich auch viel Spaß, Fortschritte der “ Erziehung “ zu erleben und vor allem aber, was nur Tiere können, bedingungslos zu lieben !

    Habe ich ja schon gesagt, Frau Ultraistgut hat IMMER Leckerli dabei, meine würde er sicherlich niemals ignorieren !

    • Liebe Margitta,
      Leckerli ignorieren würde er niemals, nur für die Erziehung ist er da nicht so scharf drauf, Lob und Liebe zählt immer mehr. Das macht dann natürlich doppelt Spaß, er lernt auch wirklich sehr gerne und das trotz seines ausgeprägten Freiheitsbedürfnis. Irgendwelche Kunststückchen soll er nicht machen müssen, sondern einfach nur wenn es darauf ankommt zuverlässig hören. Und das klappt schon richtig gut 🙂

  3. Lieber Oliver,
    Pflegestellenversager ist ein grandioses Wort! 😀
    Wie schön, dass Otto zu euch gefunden hat und bleiben durfte. Er ist so ein hübscher Kerl, wer könnte diesem Charme schon widerstehen?
    Ich freue mich für ihn und euch und wünsche euch weiterhin viel Freude miteinander! 🙂

    • Liebe Doris,
      wir haben uns tatsächlich irgendwie gegenseitig gefunden, alles war eine Punktlandung und musste wohl so sein. Nur das mit der Pflegestelle hat sich dann erstmal erledigt, da haben wir allerdings gerne versagt 🙂

  4. Lieber Oliver,
    ach, das ist so eine wunderbare Geschichte, wie sie nur das Leben schreiben kann! Auch wenn da nun eine Pflegestelle mit engagiertem Team gleich wieder abhanden gekommen ist, so wird das doch mit einem positiv gewandelten Tierschicksal mehr als ausgeglichen! Ich glaube, Ihr habt Euch wirklich gesucht und gefunden :-). Otto sieht auf den Bildern richtig aus, wie Euer Freund fürs Leben. Prima auch, wenn es mit Eingewöhnung, Umstellung und noch erforderlichen kleinen Erziehungsmaßnahmen klappt. Wisst Ihr denn Näheres zu seinem Vorleben? Ich bin sicher, er wird es Euch danken, dass Ihr ihm das perfekte Heim bietet!
    Liebe Grüße
    Elke

    • Liebe Elke,
      da kam eins zum anderen und am Ende passte einfach alles wunderbar zusammen. Wir sind manchmal selbst irritiert wie gut der Typ zu uns passt und sich eingewöhnt hat.
      Zu seiner Vergangenheit wissen wir nicht viel, nicht mal sein genaues Alter. Er wurde als Strassenhund in Rumänien aufgegriffen, dazu gibts ein Foto von ihm, dass einem schon fast das Herz bricht. Wahrscheinlich hatte er ein gutes Leben als Welpe und dann muss irgendwas passiert sein dass er auf der Strasse gelandet ist und dort länger gelebt hat. Er ist freundlich zu einfach jedem, ob Tier oder Mensch und weiß sehr genau wie man sich auf diese Art und Weise durchschlägt. Wir mussten ihm zb als erstes abgewöhnen in jede Imbissbude zu latschen und zu betteln. Es gibt schlimmeres …
      Hunde können ja eh sehr dankbar sein, er ist es ganz sicher, das erfahren wir jeden Tag 🙂

  5. Und noch eine Gratulation, lieber Oliver, zu Eurem neuen Familienmitglied.

    Gut, dass Ihr Euch Euer Pflegekind gleich gesichert habt. Zum Glück ging das doch etwas leichter als bei einem Menschenpflegekind.

    Auf jeden Fall scheint Ihr Euch gesucht und gefunden zu haben und ich wünsche Euch viele gute gemeinsame Jahre, so (fast) ganz ohne Blähungen! 😀

    Liebe Grüße
    Volker

    • Vielen Dank lieber Volker,
      die „Adoption“ war zwar etwas spontan und hektisch, aber ziemlich einfach. Zum Glück.
      Einfach toll wie sich das alles ergeben hat und dann perfekt passte, hätte auch ganz anders laufen können, aber konnte ja keiner ahnen dass uns ausgerechnet der Otto ins Haus schneit. Die Furzerei hatte sich übrigens schnell nach einer Futterumstellung erledigt, stattdessen wird nach der Mahlzeit jetzt herzhaft gerülpst, das ist ok 🙂 Wir freuen uns wirklich jeden Tag über diesen liebenswerten, temperamentvollen Kerl!

  6. Lieber Oliver,
    wow, der ist wirklich süß und ich kann euch nur gratulieren: ich denke, eure Tierliebe wird belohnt mit einem Wesen das euch immer und ewig dankbar sein wird und euch mit Liebe überschütten wird 🙂
    Meiner Tochter ging es ähnlich, sie hatte sich einen Labrador aus dem Tierheim geholt. Das war viel Arbeit. Aber es gibt einfach keinen treueren und lieberen Begleiter mehr für sie. Dieser Hund gibt ihr soviel zurück, das ist unglaublich 🙂
    Viel Spaß mit dem neuen Familienmitglied.
    Liebe Grüße
    Helge

    • Liebe Helge,
      Otto macht es uns schon ziemlich einfach, er lernt gerne und schnell, das hätte auch anders kommen können.
      Alle paar Tage hat er zwar noch seine 5 Minuten Synapsenkarneval … aber egal, Ruhe bewahren und alles ist schnell wieder gut, und diese Momente werden auch immer kürzer.
      Wir merken jeden Tag mehr wie er hier ankommt, uns immer mehr vertraut und sicherer damit wird dass er auch wirklich hier bleibt. Einfach toll das zu erleben 🙂
      Danke!