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Alleine das ist es wert

Mit dem minimalen Laufen ist das ja so eine Sache. Wer sich bewusst dazu entschliesst Dämpfungsmonster und hohe Sprengung hinter sich zu lassen, "bezahlt" erstmal mit wirklich mühsamer Aufbauarbeit. Muskeln, Knochen und Sehnen passen sich an den neuen Laufstil nicht mal so eben an, das dauert Monate bis Jahre. Im Grunde muss das Laufen neu erlernt werden. Wiederkehrende Muskelkater sind nur das kleinste Übel, wer zu schnell zu viel will und nicht aufpasst, kann sich Ermüdungsbrüche oder langwierige Sehnenentzündungen zuziehen. Geduld ist angesagt. Und Disziplin, konsequentes Dranbleiben. Und natürlich eine feine Beobachtungsgabe für den eigenen Körper.
Bei mir war es anfangs eher unbewusst, erst nach den ersten Beobachtungen am eigenen Laufstil wurde mir klar, dass "klassische" Laufschuhe für meine immer mal auftretenden Knieschmerzen nach längeren Läufen verantwortlich sein könnten. Damals waren längere Läufe noch maximal 12km. Seitdem ist ja bekanntlich viel passiert, im Nachhinein weiß ich: die geduldigen immer längeren Barfußeinheiten waren das Beste was ich mir antun konnte.
Alle Schuhexperimente mögen ihre Berechtigung gehabt haben, zum Glück konnte ich viele der mir persönlich nicht gefallenden "Nieten" wieder verkaufen (der Rest wurde zum guten Zweck weitergegeben), irgendwann dämmerte mir jedoch was ich brauche: 0mm Sprengung, keinerlei Stütze, geringe bis gar keine Dämpfung. So gestaltet sich dann auch mein jetziger Schuhschrank.
Aber darauf wollte ich überhaupt nicht hinaus.
Wir Läufer reden so viel von Sprengung und Dämpfung, völlig unter dem Radar bleibt dabei das Thema gestützte Fußgelenke.
Jeder läuft anders, niemals würde ich empfehlen meine Lauf-Marotten zu übernehmen. Dazu fehlt mir jegliche Kompetenz, meine bisherigen Erfahrungen stammen aus meiner Art zu laufen, mit allen Höhen und Tiefen, das ist einfach nicht auf andere Läufer zu übertragen. Und schon überhaupt nicht möchte ich vermeintliches Wissen klugscheissen um irgendwann zu bemerken dass ich Blödsinn erzählt hab.
Lauft einfach so wie ihr euch wohl fühlt; wer schmerzfrei bleibt, macht ja generell nichts verkehrt. Ganz einfach.
Ab und zu kleinere Anmerkungen aus eigener Erfahrung kann ich mir trotzdem nicht verkneifen, das hier ist schließlich mein kleines Laufnotizbuch …
Vor einigen Wochen bin ich mal aus Spaß und Neugier in diverse angesagte "normale" Laufschuhe geschlüpft und konnte überhaupt nicht glauben dass ich mit sowas mal regelmäßig laufen war. Von der starren Sohle und dem Hightech-Gedöns mal abgesehen, mein Sprunggelenk und meine Zehen haben sich regelrecht eingeschnürt gefühlt, völliges Unwohlsein. Einerseits stärken wir beim Laufen unsere Muskeln und Sehnen an den Beinen, andererseits verkümmert das Sprunggelenk (und die Füße) in gestützten, "schützenden" Polstern. Fühlt sich für mich nicht richtig an.
Zur Zeit bin ich bekanntlich (schwer begeistert) sehr viel in Fivefingers unterwegs, manchmal auch in den roten Newton-Raketen, aber alles andere versauert ungenutzt im Schuhschrank.
Gestern ging es mit V-Trails eine spaßige 25km-Runde durch den Wald, ungestüm durch Laub und Unterholz, schnelles bergab laufen und zügiges bergauf, über Wurzeln und Äste. Die Zehenschuhe passen sich einfach klasse an den Untergrund an, schon im Sekundenbruchteilmoment des Auftretens passiert ein instinktives Ausgleichen, genau so wie beim Barfußlaufen. Bei jedem Schritt. Eigentlich schon erstaunlich genug.
Und was passierte trotzdem? Eine versteckte Wurzel unterm Laub, ungeschicktes Auftreten mit Wegrutschen und ich knicke richtig übel mit dem linken Fuß nach innen um. Kurze Schrecksekunde, abtasten, nichts passiert. Gar nichts. Ungläubiges Staunen, sachtes weiterlaufen, Tempo anziehen, alles top, nach zwei Minuten war alles vergessen. Vor einigen Jahren gab es mal einen ähnlichen Umknicker, nicht mal so heftig, aber danach war vier Wochen Schluss mit Laufen, leichte Schmerzen waren sogar monatelang vorhanden, ein Jahr keine Volksläufe, sondern nur langsames wieder rantasten.
Vielleicht hatte ich diesmal auch einfach bloß Glück, glaube aber dass meine Sprunggelenke in den letzten Jahren wirklich erheblich stärker geworden sind.
Und ganz ehrlich, neben allen anderen positiven Effekten (und es gibt reichlich), alleine dass mir gestern nichts passiert ist, das war mir der langwierige Umstellungsprozess schon wert.
Also immer weiter laufen. Verletzungsfrei, schmerzfrei und gesund. Das wünsche ich euch ebenfalls.

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Kommentar

  1. Moin Oliver,

    Dein „Zurechtrücken“ finde ich gut, im Moment kommt es ja durch Dich, Christian und so langsam auch durch meiner einer so rüber als wäre Minimal- und/oder Barfußlaufen das Nonplusultra.

    In Bezug auf meine Person möchte ich eigentlich nur meinen „Werdegang“ in dieser Hinsicht schildern und ganz und gar nicht missionarisch unterwegs sein. Dass mir das Ganze aber Spaß macht ist nun einmal so und deshalb bringe ich das auch rüber.

    Dein V-Trail-Lauf im Wald ist da vom Erleben her nahezu deckungsgleich mit meinem Lauf vor kurzem. Und das wir die Füße parallel zu den Beinen stärken ist nun einmal so 🙂

    Laufen um des Laufens Willen, jeder auf seine Weise und jeder mit jeder Menge Spaß.

    Danke für Dein Statement.

    Liebe Grüße
    Volker

  2. Moin Volker, es sind halt die Sachen die uns umtreiben, dann wird da eben drüber geschrieben. Und ganz ehrlich, das sollte gar nicht so viel Text werden, ich hab mich bloß einfach gefreut dass der Umknicker keine Folgen hatte und mir wurde klar wo das wohl herkommen könnte.
    Jeder wie er/sie möchte, Hauptsache gesund bleiben.
    Liebe Grüße, Oliver

  3. Lieber Oliver,
    ich bin ja Schuhläufer … und trotzdem … das ursprüngliche Laufen (früherer Jahrtausende – hihi) ging sicherlich ohne Schuhe!!! Da gab es ja noch gar keine Schuhe … und die Tarahumara sind auch nur mit ganz dünnen Sandalen (aus Autoreifen o. ä.) oder barfuß unterwegs.
    – Da die wenigsten Menschen aber so geduldig sind wie ihr, „holen sie sich dann Probleme“, wenn sie umsteigen wollen! Die meisten aber schließen es für sich wohl aus. – Wenn ich mich aber zum Schuhlaufen bekannt habe, dann auch nur um zu sagen, dass wir auch noch da sind! 😆 :mrgreen:
    Wenn es euch Spaß macht und vor allem auch gut tut, dann dürft ihr, nein sollt ihr selbstverständlich davon erzählen, vor allem auf EUREN Blogs! 😉
    Ich hätte, wie gesagt, nicht mehr die Geduld, zumal ich mit meinen Macken wahrscheinlich noch länger bräuchte … oder es ginge gar nicht (Hallux Rigidus?).

    Ich bin allerdings auch selten so umgeknickt, dass es wirklich weh getan hat. Manchmal habe ich ein paar Schritte humpeln müssen, dann ging es wieder und am nächsten Tag hat nichts daran erinnert.

    Also, alles ist GUT; bleib dran und genieße deine Freiheiten!
    LG Manfred

  4. Lieber Manfred,
    genau, alles ist gut 🙂 Es geht nur um‘s unbeschwerte Laufen, jeder nach den eigenen Vorstellungen. Und nur weil ich ein paar km problemlos barfuß laufen kann, bin ich noch lange kein „echter“ Barfußläufer, VFF oder ähnliches sind ja auch Schuhe. Mit einigen Wettkampfschuhen komme ich übrigens ebenfalls klar, die sind ja auch flach und hart, halten nur leider nicht besonders lange und neigen dazu in der Zehenbox sehr eng zu sein. Das kann ich nicht mehr leiden. Freiheit für die Füsse! 🙂 Mal schauen wo mich die Experimente noch hinbringen.
    LG Oliver

  5. Lieber Oliver,
    Du beschreibst es vollkommen richtig, es braucht Zeit, Geduld und Vernunft das Laufen umzustellen…aber es macht einen granatenmäßigen Spaß. Allerdings ist es wohl nicht für jeden das Paradies, auch ich musste Lehrgeld bezahlen mit dem Ermüdungsbruch 2012….
    Aber, und das hat mir der vergangene Winter gezeigt, sind Schuhe mit Sprengung und Dämpfung für mich inzwischen ein Gräuel. Immerhin durfte ich eine Achillessehnenentzündung und eine langwierige Bandinstabilität im Frühjahr auskurieren. Die Muskulatur will arbeiten, darf sie das nicht durch entsprechendes Schuhwerk, quittiert sie den Dienst und die Verletzungen sind dann vorprogrammiert.
    Also, bleib dabei und wenig Experimente

    Salut

  6. Lieber Christian,
    ich finde es erstaunlich wie langwierig die Umstellung ist, aber auch wie wohltuend es für den Körper wenn denn alles funktioniert. Und wer mit Hokas o.ä. wunderbar zurecht kommt, der soll auch unbedingt genau so weitermachen, missionieren find ich einfach doof, dazu sind wir Läufer zu unterschiedlich.
    Deine Verletzungen waren mir übrigens ein warnender Hinweis alles noch ruhiger anzugehen. Ich fühle mich jetzt (nach über drei Jahren) erst einigermaßen "angekommen", und da ist trotzdem noch ne Menge Feinarbeit zu leisten.
    Aber das alles macht nun mal "granatenmäßigen Spaß", eine mehr als passende Beschreibung 🙂
    Bleib gesund, beste Grüße, Oliver